Neuere Ergebnisse aus der Verhaltensforschung und den Neurowissenschaften haben unser Bild vom wirtschaftlich handelnden Menschen revidiert. Die Arbeiten von Kahneman, Tversky und zahlreichen weiteren Forschern haben gezeigt, dass unsere Entscheidungen deutlich weniger bewusst getroffen werden, weitaus stärker Automatismen unterliegen und wesentlich mehr durch situative Einflüssen geprägt sind, als wir vermuten. Insbesondere das Selbstbild des Menschen ist nicht realistisch: Prospektiv sind wir kaum in der Lage, unser eigenes Verhalten vorherzusagen. Restrospektiv sind unsere Erinnerungen an unser Verhalten und dessen Ursachen stark und systematisch verzerrt. In den Wirtschaftswissenschaften haben diese Erkenntnisse zum Umdenken und zur Etablierung einer eigenen Disziplin, der Behavioural Economics, geführt. Auch immer mehr Markt- und Sozialforscher fordern ein Umdenken in ihrer Disziplin.
Die Frage ist, inwieweit verbale Befragungen überhaupt valide Daten liefern können zu Entscheidungsprozessen, die dem Kunden selbst nicht oder nur kaum bewusst sind. Müssen wir ganz neue Methoden der empirischen Sozialforschung entwickeln, oder nur bestehende anpassen oder neu interpretieren? Können neue Untersuchungsdesigns, Gamification oder implizite Messungen die Kluft zwischen Denken und Handeln überbrücken, oder bedarf es dazu apparativer Methoden bis hin zu solchen aus den Neurowissenschaften? Steht hier – und nicht in den Fragen nach Erhebungsmethoden oder der De-Anonymisierung von Befragungsdaten – die eigentliche methodische Revolution bevor? Oder handelt es sich nur um alten Wein in neuen Schläuchen, da qualitative und psychologische Marktforschung diese Erkenntnisse schon immer beherzigt hat?
Diese Fragen werden vier Experten auf der Podiumsdiskussion der General Online Research in Köln am Donnerstag, 19. März 2015, unter dem Titel „Behavioural Economics: A new idea of man – a need for new methods?” diskutieren. Gesprächspartner sind Dr. Florian Bauer (Vorstand, Vocatus), Prof. Dirk Frank (Managing Director, ISM Global Dynamics), Jon Puleston (VP Innovation, Lightspeed GMI) und Orlando Wood (Managing Director, BrainJuicer Labs). Die Moderation übernimmt Prof. Horst Müller-Peters (Herausgeber marktforschung.de).
Ziel der GOR ist die Diskussion und Analyse von Innovationen und aktuellen Entwicklungen in dem sich kontinuierlich wandelnden Bereich der Online-Forschung. Neben zahlreichen Vorträgen zu Themen aus den Bereichen Online-Forschungsmethoden, angewandter Online-Forschung, Social Media-Forschung sowie dem Programmbereich Internet und Gesellschaft wird es Keynotes geben von Jon Puleston von Lightspeed GMI, Großbritannien, und Dr. Suzy Moat von der University of Warwick, Großbritannien.
Die GOR hat als eine der ersten Fachkonferenzen im europäischen Raum in den 1990er Jahren damit begonnen, sich detailliert mit Online-Forschung auseinander zu setzen. Seit 1997 findet sie regelmäßig einmal im Jahr in wechselnden Städten im deutschen Sprachraum statt. Veranstalter der Konferenzreihe sind die Deutsche Gesellschaft für Online-Forschung e.V. (DGOF) sowie jeweils ein lokaler Partner – in diesem Jahr die Fachhochschule Köln. Programmpartner der GOR 15 sind marktforschung.de und das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG).
Anmeldung zur GOR 15 und vollständiges Programm auf www.gor.de.
GOR 15 Podiumsdiskussion: Behavioural Economics: Revolution im Menschenbild – Revolution in den Methoden?