Am 18. Mai 2018 fand in Wien die erste Konferenz zum Thema „Qualitätssicherung in der Markt-, Meinungs- und Sozialforschung“ statt. Die Veranstaltung wurde gemeinsam von den Marktforschungsverbänden der D-A-CH-Region ADM (D), DGOF (D), VMÖ (AT), VSMS (CH) sowie TeleTrust (D) und Austrian Standards (AT) ausgerichtet. 70 Teilnehmer – vornehmlich aus Deutschland und Österreich, aber auch aus der Schweiz und den USA – verfolgten die Konferenz in den Räumlichkeiten der Wirtschaftskammer Österreich, die diese Veranstaltung in Wien damit ermöglichte. Einheitlicher Tenor: Es mangelt in der Branche weder an Qualitätsrichtlinien noch an Möglichkeiten zur Qualitätssicherung. Ganz im Gegenteil: Sowohl die Institute als auch die Marktforscher in den Unternehmen orientieren sich sehr stark an strengen Qualitätskriterien, um damit die Aussagekraft und Genauigkeit von Studien zu garantieren.
Die Konferenz wurde von Markus Deutsch, Geschäftsführer der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation der Wirtschaftskammer Österreich, als Gastgeber eröffnet. In seiner Eingangsrede lobte er die gute Zusammenarbeit zwischen der Wirtschaftskammer und dem Verband der Marktforscher in Österreich. Der Wirtschaftskammer ist es ein Anliegen, das Qualitätsstreben in der Marktforschung zu unterstützen und fordert die Branche auf, auch zukünftig auf eine hohe Qualität der Studien zu setzen.
Der erste Themenblock gehörte den Betriebsmarktforschern: Dr. Kai Bruns, Marktforschungsverantwortlicher beim globalen Pharmakonzern Lily in Deutschland und Vertreter des Berufsverbandes deutscher Marktforscher (BVM) bei dieser Konferenz erklärte zunächst, wie hoch in seinem Unternehmen der Stellenwert der Qualität bei der Beauftragung von Studien liegt. Im Rahmen seiner Verbandsfunktion im BVM arbeitet er aktuell an der Erstellung von Beauftragungsleitlinien. Damit soll sichergestellt werden, dass auch weniger fachkundige Marketingmitarbeiter oder Mitarbeiter der Einkaufsabteilung Angebote nicht nur nach dem Preis, sondern auch aufgrund von definierten Qualitätskriterien beurteilen können. In der anschließenden Diskussion wurde offenkundig, dass sich die Marktforscher viel mehr Entscheidungskompetenz von fachkundigen Personen wünschen. Sie sehen sich bei Auftragsvergaben oftmals mit Einkaufsabteilung konfrontiert, die Angebote primär nach dem Preis beurteilen.
Anschließend meldete sich Susan Shaw, Präsidentin des Schweizer Verbandes VSMS mit einer Videobotschaft zu Wort. In der Schweiz wurden von den Betriebsmarktforschern Transparenzkriterien erarbeitet, an die sich Institute bei der Angebotslegung halten sollten. Nach anfänglicher Skepsis werden diese Transparenzkriterien von den Marktteilnehmern nun weitgehend akzeptiert und finden mittlerweile eine breite Anwendung bei Angebotslegungen. Dieses de facto verbindlich gewordene System könnten auch als Vorbild für andere Länder dienen.
Danach wechselte der Fokus zur Sichtweise der Institute: Dafür konnten zwei namhafte Vertreter global tätiger Institute als Referenten gewonnen werden: Hartmut Scheffler, Deutschland Geschäftsführer von TNS Kantar, stellte das Qualitätsmanagement seines Institutes vor. Sowohl bei CATI als auch bei CAWI Projekten werden umfassende Qualitätskontrollen und Checks durchgeführt, um die Qualität der Daten sicherzustellen. Er warnt die Branche vor unsauberen Daten und fordert die Marktforscher auf, sich als Problemlöser statt als Datenlieferanten zu sehen.
In ihrer Funktion als Leader of Quality Management von GfK weltweit präsentierte Rita Kite (USA) den standardisierten Einkaufsprozess der GFK für Felddienstleistungen. Als global tätiges Institut kann selbst die GfK nicht in jedem Land selbst Befragungen durchführen und muss daher lokale Felddienstleister engagieren. In einem umfassenden Bewertungsverfahren werden diese Lieferanten nicht nur nach ihrem Preis ausgewählt, sondern müssen auch die umfassend definierten Qualitätskriterien erfüllen.
Die Markt- und Sozialforschung darf nie aufhören über Qualität und über die Anstrengungen zu sprechen, die die Branche zur Sicherung dieser Qualität unternimmt, meint Bettina Klumpe, Geschäftsführerin des deutschen Institutsverbandes ADM. Während die Verbände hierfür das Rüstzeug liefern, liegt die Verpflichtung zur Anwendung in der Praxis bei den Instituten. Gleichzeitig müssen die Endkunden Transparenz und Offenheit einfordern, um Qualität überhaupt ausreichend beurteilen zu können. Der ICC/Esomar Kodex, flankiert von der deutschen Erklärung, sowie die deutschen Qualitätsstandards und Richtlinien der Verbände setzen hierfür den Rahmen. Eine Mitgliedschaft in einem der deutschen Verbände verpflichtet zur Einhaltung dieser Standards und Richtlinien, so Klumpe. Darüber hinaus fordert Klumpe mehr Transparenz in der Branche und berichtet über die Transparenz Initiative des ADM, dessen Ziel es ist, eine verpflichtende Transparenz Richtlinie zu entwickeln.
Nach der Mittagspause schlüpfte Robert Sobotka, der in seiner Funktion als Vorsitzender des VMÖ die Veranstaltung moderierte, in seine zweite Rolle: In die des Geschäftsführers seines Telefonstudios. Telemark Marketing führt für zahlreiche österreichische Institute die telefonischen Interviews durch. Für ihn beginnt die Qualität der telefonischen Marktforschung bereits bei der Erstschulung der Interviewer. Er verweist auf eine sechsstündige Grundschulung, die den Interviewern nicht nur notwendige Kenntnisse über die Branche und über die Tätigkeit vermittelt. Durch eine umfassende Einschulung bekommt der Job für den Interviewer auch einen höheren Stellenwert. Zusätzlich präsentierte er die umfassenden, zumeist technischen Möglichkeiten, wie man als Telefondienstleister die Qualität der Interviews kontrollieren und sicherstellen kann.
Er sprach sich für eine Trennung zwischen Instituten und Felddienstleistung aus. Der große Vorteil für den Auftraggeber: Es geht die Verantwortung der Feldkontrolle auf das Institut über, zu dessen Aufgabe damit nun auch die Auswahl, Instruktion und Qualitätssicherung der Felddienstleister gehört.
ISO-Normen sind ein probates Mittel, um auch in der Marktforschung die Qualität sicherzustellen. Das meint Holger Mühlbauer, Geschäftsführer Bundesverband IT-Sicherheit (TeleTrusT) und stellvertretender Leiter des ONK 260. Mühlbauer war in den letzten Jahren federführend an der Entwicklung der ISO 20252 (ISO Norm für die Markt-, Meinungs- und Sozialforschung) beteiligt.
Im Anschluss daran präsentierten Doris Hess vom deutschen Sozialforschungsinstitut Infas, wie die ISO 20252 in ihrem Institut Anwendung gefunden hat. Es ging dabei nicht alleine um die Qualitätssicherung, so Doris Hess: Im Zuge der Zertifizierung habe man auch sehr viel über die Prozesse im eigenen Unternehmen gelernt und Verbesserungspotenziale ermittelt.
Der späte Nachmittag gehörte dann dem Thema Online-Marktforschung. Die Deutsche Gesellschaft für Online-Forschung (DGOF) wurde repräsentiert durch deren stellvertretende Vorsitzende Alexandra Wachenfeld-Schell. Für die Qualitätssicherung gibt es eine breite Palette an bestehenden und für die Mitglieder der Deutschen Verbände verpflichtenden Rahmenbedingungen, sowie Möglichkeiten zur Zertifizierung. Doch gerade die Dynamik und technische Weiterentwicklung in der Online-Forschung, sowie das wachsende Feld der digitalen Messverfahren bedingt, dass „Checklisten“ sicher hilfreich sind, aber nicht statisch sein dürfen, sondern sich an den neuen Verfahren und Herausforderungen ausrichten müssen. Um der digitalen Dynamik Rechnung zu tragen, ist der fachliche Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis, der regelmäßige Diskurs und damit eine kontinuierliche Wissensvermittlung und Weiterbildung wesentliche Voraussetzung um Qualität sicherstellen zu können. All dies muss sich aber auch im Preis niederschlagen: Qualitätssicherung ohne Investition in Forschung und Entwicklung ist nicht möglich.
Als Fallbeispiel für ein ISO zertifiziertes Institut wurde ein Vertreter des deutschen Online-Forschungsinstitutes respondi eingeladen. Jörg Tschasche, CPO von respondi, stellt fest, dass es immer schwieriger wird, unter wachsendem Zeitdruck die geforderte Qualität zu erbringen. Vor diesem Hintergrund werden eine enge Kooperation und offene Kommunikation zwischen Institut und Paneldienstleister immer wichtiger. Darüber hinaus warnt Tschasche neben schlechten Interviews von Teilnehmern vor Befragungsrobotern, die Online-Befragungen mittlerweile einem Menschen täuschend ähnlich beantworten können. Eine umfassende und fachlich fundierte Qualitätskontrolle der Interviews sowie die Integration einer umfassenden Datenkontrolle während des gesamten Projektprozesses sind für ihn daher heute unabdingbar.
Zum Abschluss der Veranstaltung wurden mit Michael Nitsche, Geschäftsführer des österreichischen Gallup Institut und Dr. Thomas Winder (Geschäftsleitung von marketmind), zwei renommierte österreichische Institutsmarktforscher geholt um gemeinsam mit Kai Bruns in seiner Funktion als Betriebsmarktforscher und der deutschen Fachjournalistin Sabine Hedewig-Mohr über die Rolle der Qualität in der Marktforschung der Zukunft zu diskutieren. Einhelliger Tenor: Qualität der Studien wird auch in den nächsten Jahren ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die Markt- Meinungs- und Sozialforschung sein. Dr. Winder, dessen Institut marketmind auf hochwertige Marktforschungsprojekte spezialisiert ist, sieht sich in seiner Strategie bestätigt. Es wird aber auch Marktforschung für einfache Fragestellung geben, die hinkünftig vermutlich von neuen Mitbewerbern (Google, Facebook etc.) durchgeführt wird. Michael Nitsche erkennt keinen Mangel an Richtlinien und Standards in der Branche. Qualitätskriterien, die in der Branche selbst definiert werden, sollten auch von allen Instituten eingehalten werden.
Dr. Holger Mühlbauer zieht zum Abschluss der Konferenz folgendes Resumee: „Die Wiener Konferenz hat in bester Weise gezeigt, welches Potential die grenzüberschreitende, interdisziplinäre Kooperation der Fachverbände entfalten kann. Dieses Potential zeigt sich auch in der Zusammenarbeit bei der Entwicklung Branchennorm ISO 20252 als internationalem Referenzstandard für Qualität in der Marktforschung.