Berlin, 15.09.2023: Angesichts der aktuellen Medienberichterstattung über den Twitter-Account „@PrognosUmfragen“ weist der Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung auf die wichtigen Prinzipien Wissenschaftlichkeit und Transparenz bei der Durchführung von Umfragestudien hin. Dies gilt in besonderer Weise für Wahlumfragen, die in Wahlkampfzeiten eine gesteigerte Aufmerksamkeit erfahren.

Der Twitter-Account „@PrognosUmfragen“ veröffentlicht Umfragezahlen, deren Herkunft und Grundlage völlig unklar sind. Dies kann zu einer Verwirrung der Wahlberechtigten und zu einer Beeinträchtigung des Wahlprozesses führen. Dennoch werden diese Zahlen von politischen Akteuren im bayerischen Landtagswahlkampf aufgegriffen. Der Account-Inhaber gibt Journalisten über das Zustandekommen der Zahlen keine Auskunft (siehe dazu den Beitrag in der Süddeutschen Zeitung und den dpa-Faktencheck). Die Deutsche Presse-Agentur bilanzierte 2019 in ihrem Faktencheck zu dem Twitter-Account: „«PrognosUmfragen» arbeitet nicht seriös“. Dieses Beispiel unterstreicht die Notwendigkeit, bei der Veröffentlichung von Umfragen äußerst sorgfältig vorzugehen und bestimmte Standards einzuhalten.

Der Rat der Dt. Markt- und Sozialforschung weist darauf hin, dass Wissenschaftlichkeit und Transparenz gerade bei Wahlumfragen einen besonders hohen Stellenwert haben. Die zum Branchenkodex der Markt- und Sozialforschung gehörende „Richtlinie für die Veröffentlichung von Ergebnissen der Wahlforschung“ verpflichtet die Markt- und Sozialforschungsbranche in Deutschland folgende Grundinformationen bei der Veröffentlichung einer Wahlumfrage zu dokumentieren:
• Name des die Untersuchung durchführenden Forschungsinstitut
• Zielgruppe der Untersuchung
• Zahl der befragten Personen (Stichprobengröße)
• Untersuchungszeitraum
• angewandte Stichproben-Methode
• angewandtes Erhebungsverfahren (mündliche, schriftliche, telefonische, online Interviews)
• genauer Wortlaut der gestellten Fragen
• angewandte Gewichtungsverfahren

Diese Grundinformationen sind zur Beurteilung der Aussagefähigkeit einer Untersuchung notwendig und deshalb zusammen mit den Untersuchungsergebnissen zu veröffentlichen. Wenn dies, abhängig von der Art der Veröffentlichung, unverhältnismäßig ist, ist die veröffentlichende Institution verpflichtet, auf Anfrage die entsprechenden Informationen zu geben.
Wir fordern alle Beteiligten auf…
• …die im Branchenkodex festgehaltenen Grundsätze zu beachten und sicherzustellen, dass Umfrageergebnisse einen Beitrag zur demokratischen Debatte leisten, indem sie fundiert und verlässlich sind.
• …derart unseriöse „Umfragezahlen“ nicht weiter zu verbreiten.
Verantwortungsbewusstes Handeln bei der Veröffentlichung von Wahlumfragen trägt dazu bei, das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Wahlprozess zu stärken und die Integrität unserer Demokratie zu wahren.

Für weitere Informationen und Presseanfragen wenden Sie sich bitte an:
Prof. Dr. Raimund Wildner, Vorsitzender Rat e. V., geschaeftsstelle@rat-marktforschung.de
Heiko Gothe, Geschäftsführer Rat e. V., heiko.gothe@rat-marktforschung.de

Links:
• Artikel in der Süddeutschen Zeitung am 07.09.2023: „“Das ist gut gemachter Quatsch“
https://www.sueddeutsche.de/bayern/fake-umfragen-aiwanger-bayern-landtagswahl-twitter-1.6200466
• dpa-Faktencheck vom 26.07.2019: „«PrognosUmfragen» arbeitet nicht seriös“
https://www.presseportal.de/pm/133833/4333731
• Richtlinie für die Veröffentlichung von Ergebnissen der Wahlforschung
https://www.rat-marktforschung.de/branchenkodex/#richtlinien

Zum Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung e.V.
Der Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung, von den Verbänden ADM, ASI, BVM und DGOF getragen, steht für Redlichkeit und Qualität in der Markt- und Sozialforschung. Der Rat prüft auf Antrag Verstöße gegen die Berufsgrundsätze, Standesregeln oder Qualitätsstandards und kann begründete Verstöße sanktionieren, vom nicht-öffentlichen Hinweis bis hin zur schärfsten Sanktion, der veröffentlichten Rüge. An den Rat der Deutschen Markt- und Sozialforschung kann sich jede/r wenden, der sich als Befragte/r, Auftraggeber, Wettbewerber oder sonst unmittelbar Betroffene/r in ihren/seinen Rechten verletzt sieht.

Wissenschaftlichkeit und Transparenz bei der Veröffentlichung von Wahlumfragen